Antifa-AG der Uni Hannover:
Auch wenn sich der landesweite
Zusammenhang der Disobbedienti (Ungehorsame) in Italien aufgelöst hat, diese
Erfahrung auch inhaltlich für beendet erklärt wurde und auf dem Politfestival
von Radio Sherwood am 28.Juni 2005 in Padua unter dem Motto „Do you remember disobbedienti?“ bereits eine
Erinnerungs- und Auswertungsveranstaltung stattfand, gibt es die Aktivisten
dieses Teils der italienischen autonomen Linken natürlich weiterhin und das
auch als politische Kraft. Über ihre jüngste spektakuläre Aktion berichtete die
linke Tageszeitung „il manifesto“ am 7.9.2005.
Venedig: Disobbedienti
blockieren die Baustellen der Mose
G.SAL.
Nach einem Spaziergang über
die Dünen des Lido kamen sie durch den Haupteingang. Gestern morgen haben 200
Aktivisten, die in diesen Tagen der Filmfestspiele die Global Beach-Aktionen
durchführen, einige Stunden lang die Baustellen der Mose, des „pharaonischen“
Systems mobiler Deiche, besetzt, die die Regierung als die einzig mögliche und
milliardenteure Lösung verkauft, um Venedig vor dem Hochwasser zu schützen. Die
Aktivisten, die das Projekt bekämpfen, drangen auf die Baustelle San Nicolò vor
und blockierten die Arbeiten, rissen die Bretterzäune nieder, damit „Alle sehen
können, was sie hier machen“, ließen Hupen / Trompeten und Sirenen erklingen
und befestigten an den Baggern und ins Wasser geworfenen Felsblöcken einige
Transparente: „Stoppen wir den Mose, um die Lagune von Venedig vor dem Meer
und den Menschen zu retten!“ Die Arbeiter mussten die Arbeiten
unterbrechen. Zwischenfälle gab es allerdings keine – nur geringe Schäden.
Außer den umgerissenen Zäunen wurde aus einigen Reifen der Maschinen die Luft
rausgelassen, einige Zündschlüssel verschwanden und in die Motoren der
hydraulischen Anlagen wurde Sand geschüttet. Von der DIGOS <Abteilung für Allgemeine
Ermittlungen und Spezialoperationen, der in den 70er Jahren gegründeten und
berüchtigten Politischen Polizei>
wurde ein Bericht an die Justizbehörden geschickt. Zu den vermuteten Straftaten
zählt auch Sabotage. Die Polizei hatte sich darauf beschränkt, die friedliche
Demonstration aus der Entfernung zu beobachten. Das Eindringen erweckte im
übrigen auch das Interesse von Badegästen und Touristen.
Das ständige No-Mose-Komitee
legte auch eine Petition vor, unter die im August 5.000 Unterschriften
gesammelt worden waren, um die Aussetzung der Arbeiten zu fördern. „Die sind
illegitim“, erklärte Stefano Micheletti von der No-Mose-Versammlung. „Sie
dienen nur denjenigen, die sie durchführen. Die mobilen Schotte sind nur bei
einem Pegelstand von 1,10 Metern über dem mittleren Wasserstand von Nutzen.
Ausgaben von 10 Billionen Lire <= 10 Mrd. DM bzw. rund 5 Mrd. Euro>, nur um die Barrieren ein paar Mal zu schließen. Im vergangenen Jahr
wären sie in zwei oder drei Fällen benutzt worden.“
Bürgermeister Massimo
Cacciari <61 Jahre,
ehemaliger Philosoph und jetzt Teil des christdemokratisch-liberalen Flügels
der Mitte-Linken> der sich selbst vor
einem schüchternen Wiederaufflackern der Debatte über den Mose fürchtete, hat
die Aktion der Disobbedienti (Ungehorsamen) kritisiert. „Das ist nicht
nur eine illegale, sondern auch eine unbedachte und idiotische Aktion, weil von
einer ernsthaften Debatte weit entfernt.“ Dem Präsidenten der Region Veneto,
Giancarlo Galan <49
Jahre, Forza Italia und ehemaliger Chef von Berlusconis Werbeagentur Publitalia>, zufolge ist Cacciari dagegen der „Kommandant der
Roten Armee“, die, um den Mose infrage zu stellen, „die Aktion der squadristi
(SA-Männer) des roten Faschismus“ entfesselt habe.
Beiden antwortete Luca
Casarini so: „Wir bekennen uns nicht nur zu den Schäden und rechtfertigen diese
als legitim, sondern kündigen auch an, dass wir diese unsere Sabotageaktionen
an einem Bau, der Gefahr läuft, die Lagune zu verwüsten, permanent fortsetzen
werden.“
Vorbemerkung, Übersetzung und Einfügungen in eckigen
Klammern:
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