Antifa-AG der Uni Hannover & Gewerkschaftsforum Hannover:
Die italienische Anti-Kriegsbewegung und die unterschiedlichen Teile der Mitte-Links-Opposition diskutieren derzeit, wie sie sich angesichts des Staatsbesuches von George W. Bush am 4.Juni 2004 in Rom verhalten sollen. Welches Spektrum von Positionen dabei zu Tage tritt, verdeutlicht der folgende Artikel aus der großen linksliberalen Tageszeitung „la Repubblica“ vom 16.5.2004. Ganz aktuell hinzugefügen müssen wir (heute am 30.5.2004) nur, dass sich die Linksdemokraten (DS)-Führung mittlerweile soweit „radikalisiert“ hat, dass sie das Aus-dem Fenster-hängen der bekannten „Pace“-Fahnen in den Regenbogenfarben befürwortet, die Rifondazione-Führung täglich vor allen Aktionsformen „warnt“, die irgendwie als militant betrachtet werden könnten, die Polizeiführung der Friedensdemo auch nicht das kleinste Stückchen Innenstadt zugestehen will und die Regierung Berlusconi bzw. die hinter ihm stehenden Parteien einmal mehr mit dem Schreckgespenst des Bürgerkrieges hausieren gehen.
Die Polemik:
Die Demonstration von Rifondazione, Grünen und PDCI, die Kundgebungen der Katholiken und die große <mitte-linke> Wahlliste denkt an eine Feier in Anzio.
Um gegen Bush zu demonstrieren, dreiteilen sich die Friedensanhänger
Giovanna Casadio
Rom – Wieviele Seelen hat das Volk des Friedens ? Soviele wie die Vorhaben, die die Bewegung angesichts des Bush-Besuches in Rom am 4.Juni zum 60.Jahrestag der Befreiung Roms in diesem Augenblick bewegen und das <mitte-linke> Olivenbaum-Bündnis erschüttern, das in die radikalen Pazifisten gespalten ist, die auf die Straßendemonstration nicht verzichten wollen, und in die Reformer, die – auch wenn die Planung der Feierlichkeiten neben dem US-Präsidenten fast verschwunden sind – von Demonstrationen und Ähnlichem nicht das Geringste hören wollen.
Morgen ist ein entscheidender Tag: Eine Versammlung der „Tavola della pace“ (Friedenstisch) sollte 2 ½ Wochen vor der Ankunft von Bush ein Maximalprogramm entwerfen. In der Diskussion sind allerdings mindestens drei Projekte: die Demonstration, die thematischen Kundgebungen und Fackelzüge in ganz Italien sowie die Feier in Anzio ohne Bush, die die Prodi-Liste letzten Donnerstag diskutiert hat. Fausto Bertinotti, der Führer von Rifondazione Comunista, ist davon überzeugt, dass es „mit Sicherheit“ eine Demonstration in der Hauptstadt geben wird und dass “wir sehr Viele sein werden“. Dasselbe ist von den Antiglobalisierern zu hören. Und von Oliviero Diliberto, dem <ehemaligen mitte-linken Justizminister und> Sekretär des PDCI <= Partei der italienischen Kommunisten = im Oktober 1998 gegründete Rechtsabspaltung von Rifondazione mit 1,5-2% Wählerstimmen landesweit>, der eine Großdemonstration vorschlägt, d.h. Demonstrationszug und Parolen: „Italien wendet Bush und seinem Krieg den Rücken zu !“ Konkret bedeutet das: durch Rom zu marschieren, allerdings außerhalb des Stadtzentrums und gerade den institutionellen Feierlichkeiten den Rücken zu kehren. Die Grünen ihrerseits richten einen Appell an die römischen Bürger: „Dafür sorgen, dass es entlang der Fahrtstrecke des amerikanischen Präsidenten am 4.Juni menschenleer ist und auch die Rollläden runterlassen.“ Eine Position, die derjenigen der Cobas und der Disobbedienti nahe kommt. Sie hatten eine Tour um die US-Botschaft in der via Veneto ins Auge gefasst, die vom Präfekten Achille Serra bereits mit deutlichen Worten abgelehnt wurde und einer Delegation der Friedensbewegung die massiven Absperrungen in der Stadt veranschaulichte. Eine "rote Zone" gibt es jedoch nicht. "Das würde uns noch fehlen, dass die Stadt nicht mehr befahrbar wäre! Die Demonstration wird stattfinden. Zahlreich, friedlich und im Zentrum", verkündet Paolo Cento (Grüne).
Der gemäßigtere Flügel des "Tavola della pace", der sowohl von den katholischen Verbänden als auch von <den beiden größten Gewerkschaftsbünden>CGIL und CISL repräsentiert wird, ist gegenüber der Demonstration unempfindlich. Er strebt eher "thematische Kundgebungen" und Fackelzüge an. Das heißt ein Netz von Mobilisierungen in Mailand genauso wie in Florenz, Genua, Bologna, Neapel und Palermo: Performances, Konzerte, Sit-ins und fliegende Kundgebungen. Der großen <mitte-linken> Wahlliste (listone), d.h. den Linksdemokraten (DS), der Margerite <= Zusammenschluss Romano Prodi nahestehender Liberaler und "linker" Christdemokraten> sowie den Italienischen Demokratischen Sozialisten (SDI) gefällt diese Idee nicht. Sie würden gern die x'te Spaltung der Mitte-Linken vermeiden. Enrico Boselli (der Führer der SDI) erklärt, dass die große Wahlliste (listone) über eine eigene Feier in Anzio diskutiert, "aber noch nichts entschieden hat". "Sich am 4.Juni dorthin zu begeben, wäre eine sehr starke symbolische Aktion" und käme der Aussage gleich, dass "der Anti-Amerikanismus keinen Spielraum hat". Und was die Straßendemonstration anbelangt wiederholt er, genauso wie es bereits <ex-Ministerpräsident> Massimo D'Alema (DS) getan hat, dass die sich in ein Geschenk für Berlusconi verwandeln würde. In jedem Fall löscht er die Lunte der Polemiken über die Beteiligung der führenden Reformer an den Feierlichkeiten Seite an Seite mit Bush: "Die Gelegenheit wird es nicht geben."
Flavio Lotti vom "Tavola della pace" verdeutlicht die Friedensoffensive, die bereits begonnen hat: "Wir werden die Parole 'Italien sagt Nein zu Bush, zu seiner Politik, zu seinen Kriegen und zu seinen Folterungen !' benutzen und unter dieses Anti-Bush-Manifest werden wir im Internet und auf den Straßen und Plätzen Unterschriften sammeln." Daher die Aufforderung an die Schüler und Studenten E-Mails an Bush zu senden, die dann an den <italienischen> Präsidenten Ciampi geschickt werden. Für Beppe Fioroni (Margerite) sind die vom <römischen DS-> Bürgermeister Veltroni für den 6.Juni aufgrund der Befreiung auf der piazza Venezia organisierte Demonstration und vorher die Mahnwachen "die richtige Gelegenheit". Das pazifistische Herzflimmern ist stark. Und unterdessen sind für den 2.Juni, den Vorabend des Bush-Besuches, seitens der Antiglobalisierer, wegen der Parade der Streitkräfte, Boykottaktionen vorgesehen.
Vorbemerkung, Übersetzung und Einfügungen in eckigen Klammern:
Antifa-AG der Uni Hannover und Gewerkschaftsforum Hannover