Antifa-AG der Uni Hannover & Gewerkschaftsforum Hannover:
Anlässlich
der Zusammenkunft des Assoziationsrates EU-Israel
veröffentlichte Amnesty International Mitte Juni 2006 ein Dossier über die
kontinuierlichen und gravierenden israelischen Menschenrechtsverletzungen in
den letzten Jahren, die sich in den letzten Wochen sogar noch verschärft haben
und forderte die wirtschaftlichen und finanziellen Vergünstigungen (um vom
florierenden Waffenhandel ganz zu schweigen) der EU für Israel solange zu
suspendieren bis dieses die Menschenrechte und die auf diesem Gebiet
unterzeichneten Abkommen tatsächlich einhält. Wie so oft war das den hiesigen
Medien kaum eine Meldung wert. Die unabhängige linke italienische Tageszeitung „il
manifesto“ berichtete am 13.6.2006
ausführlich darüber und bezog auch Erkenntnisse der israelischen
Menschenrechtsorganisation Betselem mit ein. Beides
alles andere als „antisemitische“, „islamistische“ ...
Gruppen oder Organisationen. Wir finden, ihre Denunzierung der israelischen
Besatzungspolitik hat eine Weiterverbreitung verdient.
Wenn Amnesty Israel
anklagt
Heute trifft sich der Rat der
Organisation mit der EU. Gezielte Tötungen: 100 Palästinenser seit Jahresbeginn
getötet.
MICHELE GIORGIO – JERUSALEM
Schauen wir auf das was
passiert, bevor wir Vorteile und Privilegien garantieren. Das ist der Inhalt
des Appells, den Amnesty International anlässlich einer Sitzung des
Assoziationsrates EU-Israel verbreitet, der heute auf
dem Programm steht. In einem der österreichischen Präsidentschaft der
Europäischen Union überreichten Dossier denunziert Amnesty die
unverhältnismäßige Gewaltanwendung vonseiten Israels gegen palästinensische
Zivilisten. Eine Anklage, die am vergangenen Freitag eine neue Bestätigung fand
als eine von einem israelischen Schnellboot aus abgefeuerte Geschützgranate,
die ihr Ziel verfehlte, am Strand von Sudanya (Gaza)
einschlug und 8 Palästinenser tötete, von denen 7 derselben Familie angehörten.
Amnesty schreibt, dass seit
Anfang des Jahres über 100 Palästinenser (darunter rund 30 Kinder und
Heranwachsende) von den israelischen Streitkräften getötet wurden. Die „gezielten
Tötungen“ von Intifada-Aktivisten mit von
Flugzeugen und Hubschraubern aus abgefeuerten Raketen seien nicht nur illegal, sondern
hätten auch zahllose unschuldige Opfer gefordert. Das israelische Zentrum für
Menschenrechte Betselem berichtet, dass von Oktober
2000 bis März diesen Jahres 329 Palästinenser durch „gezielte“
Operationen ermordet wurden, von denen 213 bewaffneten Gruppen angehörten. Die
Übrigen waren Zivilisten. „Israel hat mit gravierenden Sicherheitsproblemen
zu kämpfen. Es kann aber nicht auf Kosten Unschuldiger reagieren. Das alles
sorgt nur dafür, dass der Kreislauf der Gewalt, von dem Israel seinerseits ein
Opfer ist, bis in alle Ewigkeit verlängert wird“, sagt Dick Oosting, Leiter des Büros von Amnesty International bei der
Europäischen Union.
Das Amnesty-Dossier hebt
hervor, dass auch die Administrativhaft weiter
angewandt wird (eine verlängerbare Verurteilung ohne Prozess zu 6 Monaten
Gefängnis auf Grundlage von Informationen, die den Sicherheitsdiensten
zugetragen wurden), obwohl es sich um eine illegale Methode handelt, die die
Menschenrechte verletzt. Gegenwärtig werden mehr als 600 Palästinenser unter extrem
harten Bedingungen ohne Anklage in Militärcamps festgehalten. Während der
ersten Intifada <von 1987–1993>
hatte die internationale Gemeinschaft diese Praxis wiederholt kritisiert
(während der „Revolte der Steine“ verbüßten Tausende von Palästinensern
diese Form der Gefangenschaft), während sie bei dieser zweiten Revolte dazu
schwieg, weil sie die von Tel Aviv, das stets auf die Gefahr von Anschlägen
hinwies, angeführten Begründungen akzeptierte.
Das Amnesty-Dossier nimmt
außerdem auf die kontinuierliche Entwicklung und Ausdehnung der Siedlungskolonien
in den Besetzten Gebieten Bezug, die stets in offenkundiger Verletzung des
Völkerrechts stattfindet. Die israelische Regierung, erklärt die
Menschenrechtsorganisation, hat soeben den baldigen Bau von 3.500 neuen
Wohnungen im Gebiet von Ost-Jerusalem bestätigt, dass Israel 1967 besetzt,
einseitig annektiert und dem Territorium des jüdischen Staates einverleibt hat.
Nicht nur, aber auch als Besatzungsmacht habe Israel die rechtliche Pflicht,
die Grundbedürfnisse der unter militärischer Besatzung stehenden Bevölkerung zu
befriedigen.
Diese Verantwortung sei bis
heute, angesichts der besorgniserregenden Verschlechterung der humanitären
Situation in den palästinensischen Gebieten noch größer. Stattdessen, hebt
Amnesty hervor, vergrößerten der Bau der Trennungsmauer in Cisjordanien
und die Schließung des Grenzübergangs Karni, des
einzigen für den Warenverkehr vorgesehenen Übergangs von und nach Gaza, die
Armut in der Region weiter. Der Schriftsteller Erri
De Luca spielte die Auswirkungen der Schließung von Karni
auf die humanitäre Situation in Gaza vor wenigen Wochen herunter. Eine
Schließung, die die israelische Armee angeblich aus Sicherheitsgründen verfügt
habe. De Luca sprach von einer gelegentlichen Schließung. In den ersten vier
Monaten des Jahres hat Israel Karni allerdings für
mehr als 60 Tage geschlossen und damit den Palästinensern Verluste von
mehreren Millionen Dollar zugefügt.
Außerdem ist Amnesty wegen
des Staatsbürgerschaftsgesetzes sehr besorgt, das 2003 geändert und <in der neuen Form> durch ein Urteil bestätigt wurde, das die Richter
des Obersten Gerichtshofes im vergangenen Monat auf der Grundlage von „Sicherheitsüberlegungen“ fällten. Ein
Gesetz, das die Familienzusammenführung im Fall einer Heirat von in Israel
lebenden Palästinensern (den sog. arabischen Israelis) und Palästinensern aus
den Besetzten Gebieten verbietet. Dieses Gesetz, das sich ausdrücklich auf die
ethnische Identität des Individuums bezieht, betrifft und schadet Zehntausenden
Paaren, die dazu gezwungen sind, getrennt zu leben oder sich nur in Cisjordanien und Gaza zu treffen und dort zusammen zu
leben. Amnesty vertritt die Ansicht, dass das Staatsbürgerschaftsgesetz das im
Völkerrecht enthaltene Diskriminierungsverbot sowie einige der Verträge
verletzt, die Israel ratifiziert hat und zu deren Umsetzung es verpflichtet ist
(darunter die Internationale Konvention zur Beseitigung aller Formen der
Rassendiskriminierung, den Internationalen Pakt über politische und Bürgerrechte,
den Internationalen Pakt über die ökonomischen, sozialen und kulturellen Rechte
sowie die Rechte des Kindes).
Vor wenigen Wochen erst
brach die Polizei in die Wohnung eines arabischen Bürgers (Mohammad Al-Heen) in Qalansua ein. Die
gesamte Familie, inklusive der Kleinkinder, wurde verhaftet und aufs
Polizeipräsidium gebracht. Die Mutter wurde sofort von den Kindern und ihrem
Ehemann getrennt und über den Checkpoint Qalqilya abgeschoben. Der Mann wurde
anschließend gezwungen, eine Erklärung zu unterschreiben, in der er sich
verpflichtet, seine Ehefrau nicht wieder nach Israel zurückzuholen.
Vorbemerkung,
Übersetzung, Hervorhebungen und Einfügungen in eckigen Klammern:
Antifa-AG der Uni Hannover und Gewerkschaftsforum Hannover