Antifa-AG der Uni Hannover & Gewerkschaftsforum Hannover:

 

Es gibt in der europäischen (und in der internationalen) Linken eine Menge Analysen und Kommentaren zu denselben Themen, allerdings häufig ohne dass man sich gegenseitig wahr- und aufeinander Bezug nimmt. Ein ganz aktuelles, vieldiskutiertes Ereignis sind die Bundestagswahlen in Deutschland am 18.September und ihr nicht ganz eindeutiges Ergebnis. Um die überfällige länderübergreifende Debatte der Linken (und insbesondere der radikalen Linken) zu fördern hier die Übersetzung des Kommentars von Guido Ambrosino, der seit mehr als zwei Jahrzehnten für die linke italienische Tageszeitung „il manifesto“ aus der BRD berichtet. Der Kommentar erschien in der Ausgabe vom 20.9.2005.

 

KOMMENTAR:

 

Die wiederherzustellende Linke

 

GUIDO AMBROSINO

 

Aus Deutschland kommt eine gute Nachricht: der reine und harte Wirtschaftsliberalismus kommt nicht durch. Das hat Angela Merkel (man weiß nicht, ob aus Überzeugung oder aus Kalkül), getäuscht durch den Chor der Medien, versucht. Nicht nur der übliche Springer-Konzern, sondern auch „Der Spiegel“, „Die Zeit“ und der „Stern“ singen die Hymne der Flexibilität. Und sie hat sich einen Ausrutscher geleistet. Ihr Guru Paul Kirchhof, der mit der proportionalen Besteuerung der Einkommen Schluss machen wollte, hat gestern mitgeteilt, dass er den Ausflug in die Politik als beendet betrachtet. Er wird an seinen Katheder in der Universität Heidelberg zurückkehren.

 

Es war keine ausgemachte Tatsache, dass es einen Verteidigungsreflex geben würde, der in der Lage ist, den rechten Durchbruch aufzuhalten. Schröder hatte, bevor er im Wahlkampf die Rhetorik der „sozialen Gerechtigkeit“ wiederentdeckte, alles getan, um die Antikörper zu zerstören.

 

2002 war er unter dem Motto „Der Kanzler der Mitte“ für eine zweite Amtszeit gewählt worden, die nun vorzeitig beendet wurde. Seine „Agenda 2010“ auf Kosten von Arbeitslosen, Kranken und Rentnern, während zugleich die Unternehmenssteuern gesenkt wurden, war ein neoliberales Rezept.

 

Schröder hat, indem er verkündete, dass „es keine linke oder rechte Wirtschaftspolitik gibt, sondern nur eine moderne Politik“ und noch dazu eine „ohne Alternativen“, die Daseinsberechtigung der Sozialdemokratie zerstört. Wenn es keine Auseinandersetzung zwischen unterschiedlichen und antagonistischen Programmen <mehr> gibt, sondern nur <noch> moderne oder weniger moderne Politiker, dann muss man sich nicht wundern, wenn eine Angela Merkel auftaucht, die in bestimmter Hinsicht „moderner“ ist. Und dass sich viele Wähler sagen: „Warum nicht? Schröder hat in Sachen Arbeitslosigkeit nichts erreicht. Lassen wir sie es versuchen.“ Viele sind austauschbar.

 

Im letzten Moment gab es eine Einsicht. Keines der beiden sich derart gleichenden Produkte des politischen Marketings hat ein eindeutiges Übergewicht erzielt. Wahrscheinlich werden CDU und SPD am Ende zusammen regieren. Sofern die SPD nicht zerbricht.

 

Und doch gäbe es im Land eine Mehrheit jenseits der CDU und der Liberalen. Wenn man Sozialdemokraten, Grüne und die Sozialisten der Linkspartei zusammenzählt, kommt man auf 51%. Das Dumme ist, dass dieses Spektrum nicht mehr so ganz links ist. Die Grünen sind, was die Wirtschafts- und Steuerpolitik anbelangt, noch wirtschaftsliberaler als die Schrödersche SPD. Und sogar im ursprünglichen Stamm der Linkspartei – der PDS – gibt es Verirrungen. Dort, wo sie zusammen mit der SPD regiert (wie in Berlin und Mecklenburg) schließt sie soziale Zentren und Asyle oder privatisiert sie. Aus dieser virtuellen Mehrheit eine echte Option zu machen, die in der Lage ist, für eine produktive Kommunikation zwischen ihren Bestandteilen zu sorgen, die heute nicht einmal miteinander reden, wird schwierig sein. Es ist aber nicht gesagt, dass es nicht gelingt.

 

 

<Hervorhebungen wie im Original !>

 

Vorbemerkung, Übersetzung und Einfügungen in eckigen Klammern:

Antifa-AG der Uni Hannover und Gewerkschaftsforum Hannover