Antifa-AG der Uni
Hannover:
Wie
bereits in dem ausführlichen Vorspann zum nebenstehenden Interview mit dem Chef
der Hamas im Westjordanland, Scheich Hassan Yussef, gesagt, schlagen in den
letzten Wochen in den aufgeklärteren bürgerlichen Medien weltweit die Wellen
über eine politische „Wende“ der Hamas in Richtung Kompromissbereitschaft und
Pragmatismus hoch. Ähnlich wie die unabhängige linke italienische Tageszeitung „il
manifesto“ sind wir der Ansicht, dass diese Wende so neu nicht ist, sondern
sich bereits seit längerem deutlich abzeichnete. Um so empfehlenswerter ist die
Lektüre des am 22.1.2005 erschienen Artikels von „il manifesto“-Korrespondent
Michele Giorgio:
Hamas: Eine angekündigte „Wende“
Die Islamisten sagen ja zu den
Grenzen von 1967, „so Gott will“.
MICHELE GIORGIO – JERUSALEM
Die <linksliberale> israelische Tageszeitung „Ha’aretz“
berichtete gestern über die Existenz eines von der politischen Führung der
Hamas vorbereiteten Dokumentes, das zum ersten Mal – in Übereinstimmung mit den
Positionen von Al-Fatah – die Grenzlinien von 1967 als Grenzen eines künftigen
Staates Palästina anerkennt. Auch wenn die Legitimität des bewaffneten Kampfes
gegen den Besatzer bekräftigt wird, scheint die Hamas den Akzent auf die
Zusammenarbeit der verschiedenen politischen Kräfte zu legen. Dieses Dokument,
so behauptet „Ha’aretz“, sei das Ergebnis einer über zwei Jahre
dauernden Debatte und habe in den letzten Wochen, im Zusammenspiel mit den vom
neuen palästinensischen Präsidenten Abu Mazen eingeleiteten Gespräche mit den
laizistischen und den islamischen Oppositionskräften, eine umfassendere
Ausarbeitung erfahren. In Wirklichkeit handelt es sich um bereits bekannte
Positionen und der Nachdruck, mit dem „Ha’aretz“ über die in der
islamischen Bewegung stattfindende Debatte berichtet, findet nicht viele
Rechtfertigungen.
„Hamas ist eine Kraft mit
verschiedenen Bestandteilen, die miteinander diskutieren und eine gemeinsame
Linie verfolgen. Es darf nicht überraschen, dass aus einer Konfrontation von
Ideen periodisch Dokumente und neue Ideen hervorgehen“, goss der Analytiker
Ghazi Hamad (ein Hamas-Experte <sowie Herausgeber und Chefredakteur der in Gaza erscheinenden
Wochenzeitung „Al Risala“>)
Wasser aufs Feuer. Hamad zufolge enthält die Anerkennung der Grenzlinien von
1967 „sicherlich interessante Elemente“, ist aber keine außergewöhnliche
Entwicklung. Die pragmatischsten Strömungen der Hamas (die aktuell vom
angesehensten Führungsmitglied der Bewegung, Mahmud Zahar, repräsentiert
werden) haben die Gründung eines unabhängigen palästinensischen Staates in
Cisjordanien, Gaza und Ostjerusalem als „Zwischenetappe auf dem Weg zur
Befreiung des gesamten Palästinas in einem nicht definierten Zeitraum“, niemals
ausgeschlossen. Der Gründer und geistige Führer, Ahmed Yassin selbst, der von
Israel vor 10 Monaten ermordet wurde, hatte sich vor seinem Tod für die
Gründung eines Mini-Staates Palästina ausgesprochen und es „dem Willen Gottes“
überlassen, über das Schicksal Israels zu entscheiden.
Zweideutige Worte und
Äußerungen, die dennoch und wiederum den Willen bekräftigen, einen politischen
Kompromiss zu finden, der die Bewegung nicht allein an der Strategie des
bewaffneten Kampfes festhalten lässt. Die oberste Führung (d.h. <der im syrischen Exil lebende
Chef des Politbüros der Hamas> Khaled
Mashaal) scheint jetzt mehr dafür zu sein, die Beziehungen zur internationalen
Gemeinschaft wieder herzustellen, die, indem sie die Hamas auf die Liste der
terroristischen Organisationen setzte, sie de facto repressiven Aktionen der
Sicherheitsdienste zahlreicher Länder ausgesetzt hat. Hamas betrachtet – auf
der Grundlage religiöser Prinzipien – das gesamte Palästina weiterhin als „Land
des Islam“, mithin als unverzichtbar. Die Politik bietet demjenigen, der
praktische Lösungen braucht, jedoch Kreuzwege. Auf den „unergründlichen
göttlichen Plan“ werden die islamischen Führungsmitglieder Bezug nehmen, um die
Übereinkünfte mit Abu Mazen sowie ein unbefristetes Waffenstillstandsabkommen
zu rechtfertigen.
Vorbemerkung,
Übersetzung und Einfügungen in eckigen Klammern:
Antifa-AG der Uni
Hannover