Antifa-AG der Uni Hannover:

 

Die größte und nach wie vor wichtigste politische Organisation der Palästinenser – Al Fatah – steht nach Yasser Arafats Tod am Scheideweg. Den Drahtseilakt Arafats (sich einerseits dem Westen anzubiedern, andererseits aber nicht jede Kröte zu schlucken und sich die Option des Widerstandes und des bewaffneten Kampfes gegen die israelische Besatzung offen zu halten) will kann und kann sein von den Fatah- und PLO-Oberen auserkorener Nachfolger Mahmud Abbas („Abu Mazen“) nicht weiterverfolgen. Dazu ist er (ähnlich wie Ministerpräsident Abu Kurei oder der Möchtegern-Warlord in Gaza, Mohammed Dahlan) zu sehr der Vasall von USA und EU und dazu ist die weltpolitische Lage derzeit auch zu ungünstig. Die Folge ist eine zunehmende Spaltung der Fatah, die ihren bisher schärfsten Ausdruck in der nun doch bestätigten Präsidentschaftskandidatur des inhaftierten Generalsekretärs der Fatah des Westjordanlandes und Parteilinken, Marwan Barghuti, findet. Als Barghutis Kandidatur, die die Wahl, aufgrund seiner Popularität, zu einer offenen und spannenden Angelegenheit macht, sich noch im Zustand einer reinen Hypothese befand, interviewte die große linksliberale italienische Tageszeitung „la Repubblica“ Abu Mohammed, einen der führenden Vertreter der Al Aqsa-Brigaden, des bewaffneten Flügels der Fatah, die Barghuti mehrheitlich nahestehen. Abu Mohammeds Äußerungen zeigen vor dem Hintergrund der weiteren Entwicklung auch welch beachtlicher Schritt und tiefer Einschnitt für die Fatah und die PLO Barghutis Kandidatur als Unabhängiger ist. Das Interview erschien am 16.11.2004:

 

Es spricht der Kopf der Al Aqsa-Märtyrer-Brigaden: „Weiter mit dem bewaffneten Kampf.“ Dschihad und Hamas: „Wir werden die Wahlen boykottieren.“

 

Al Fatah warnt Abu Mazen

„Wir werden die Waffen nicht niederlegen!“

 

Von unserem Korrespondenten FABIO SCUTO

 

JERUSALEM – „Die Schießerei der letzten Nacht ist das Ergebnis des völligen Fehlens einer wirklichen Kontrollfunktion in Gaza seitens der palästinensischen Organisationen, die in den letzten 4 Jahren an die Spitze der Sicherheit gestellt wurden. Der Kopf der Brigaden der Märtyrer der Al Aqsa-Intifada von Gaza, der Kern der „Harten“ von Al Fatah, der es vorzieht sich mit seinem Kampfnamen zu präsentieren – Abu Mohammed – sagt keine halben Sachen. Fast 40 Jahre alt, gehört er zu der Generation, die unter der israelischen Besatzung aufgewachsen ist, verkündet seine Treue zu den Beschlüssen der Fatah und beklagt das gefährliche Abdriften der kleinen Fraktionen – Mini-Milizen ohne irgendeine reale Basis in der palästinensischen Bevölkerung, die sich durch Schüsse aus der Kalashnikov <wie kurz zuvor bei Mahmud Abbas / Abu Mazens Auftritt in einem Arafat-Trauerzelt in Gaza> Raum verschaffen wollen. Unterdessen verkünden Dschihad und Hamas ihre Absicht, die Wahlen im Januar zu boykottieren.

 

Wer war das Ziel jener Projektile: Abu Mazen oder Mohammed Dahlan ?

 

„Keiner von beiden und sicherlich war es kein vorbereiteter Angriff, aber es steht außer Frage, dass einige Gruppen, die in Dissens zur Fatah stehen, sich mit Hilfe der Auseinandersetzung um jeden Preis durchsetzen wollen.“

 

Und wenn Abu Mazen bei dieser Schießerei getötet worden wäre ?

 

„Das wäre für das gesamte palästinensische Volk ein echtes Desaster gewesen. Abu Mazen wird von uns allen als ein Kämpfer betrachtet und auch von einem Großteil der internen Opposition respektiert. Ich glaube, dass er der Mann ist, der uns in die Zukunft führen kann.“

 

Soll er seine Kandidatur für die Präsidentschaft der <palästinensischen Autonomiebehörde> ANP zurückziehen ?

 

„Wir bekräftigen unsere Position: Wir werden die Beschlüsse respektieren, die von der Fatah gefällt werden, vorausgesetzt, dass sie auf demokratischen und kollektiven Entscheidungen beruhen und nicht von oben aufgedrückt werden. Wenn die Fatah Abu Mazen als Kandidaten für die Präsidentschaftswahlen der ANP auswählt, dann werden die Brigaden der Märtyrer der Al Aqsa-Intifada, die ein Teil der Fatah sind, diesen Beschluss respektieren.“

 

Aber warum diese Anfeindung ? Man ist sofort von den Worten zu den Waffen übergegangen.

 

„In allen Teilen der Welt genießt kein Führer 100%ige Zustimmung. Ich glaube, dass Abu Mazen auf die Mehrheit der Fatah-Mitglieder und die Unterstützung eines Großteils der palästinensischen Bevölkerung zählen kann.“

 

Marwan Barghuti, der in einem israelischen Gefängnis 5 lebenslange Haftstrafen verbüßt, wird seine Entscheidung, ob er kandidiert oder nicht, in zwei Wochen verkünden. Wäre er für Euch ein besserer Kandidat ?

 

„Die Al Aqsa-Brigaden schätzen Barghuti als einen der besten Führer. Wenn Barghuti beschließt zu kandidieren und innerhalb der Fatah demokratisch gewählt wird, werden wir ihn unterstützen. Ich glaube allerdings nicht, dass das passiert. Er wird nicht gegen Abu Mazen kandidieren, weil dies eine offene Auseinandersetzung hervorrufen und unsere Organisation in zwei Teile spalten würde und dies unheilvolle Auswirkungen für uns alle und für das Ergebnis der Präsidentschaftswahlen hätte.“

 

Der Ministerpräsident <und Zementlieferant für den israelischen Apartheidwall !> Abu Ala <alias Ahmed Kurei> hat die Leitung der Sicherheit übernommen. Meint Ihr, dass er – im Gegensatz zu Arafat – versuchen wird, Euch zu entwaffnen ?

 

„Die Al Aqsa-Brigaden waren die erste Gruppe, die das Ende der Fraktionsauseinandersetzungen gefordert hat. Wer die Waffen missbraucht, muss festgenommen werden. Die palästinensischen Waffen werden nicht gegen andere Palästinenser gewendet. Sie müssen benutzt werden, um die israelische Besatzung zu bekämpfen. Wir wollen jedoch Abu Ala und allen Anderen sagen, dass niemand den palästinensischen Widerstand entwaffnen kann, während die israelische Besetzung unseres Bodens weitergeht. Die Fraktionen, die entwaffnet werden müssen, sind jene kleinen Machtgruppen, die private Mini-Milizen gebildet haben und die Waffen gegen ihre eigenen Leute einsetzen.“

 

Die Wahl Abu Mazens würde eine Möglichkeit für Verhandlungen mit Israel schaffen. Seid Ihr für oder gegen diese Linie ?

 

„Wir sind Teil der Fatah und vertreten ihr politisches Programm. Die UNO-Resolutionen sprechen eine klare Sprache. Wir haben das Recht auf unseren eigenen Staat auf dem Boden der 1967 von Israel besetzten gebiete Das ist unsere Linie. In der Vergangenheit haben wir versucht, Frieden mit Israel zu schließen, aber mit welchem Ergebnis ?  Mehr Angriffen und der Negation unserer Rechte !“

 

 

Vorbemerkung, Übersetzung und Einfügungen in eckigen Klammern:

Antifa-AG der Uni Hannover