Antifa-AG
der Uni Hannover:
Wie denken eigentlich die christlichen
Libanesen über die Hisbollah und den Krieg, den Israel zu ihrer Zerschlagung
(und zur Installierung einer Marionettenregierung) führt. Ein Ziel, das Olmert, Peretz, Halutz & Co. offenkundig vor allem durch die Terrorisierung
der Zivilbevölkerung und die Zerstörung der Infrastruktur erreichen wollen. Die
bürgerlichen Medien in den imperialistischen Zentren hoffen unverhohlen auf
einen innerlibanesischen Bürgerkrieg und suchen händeringend nach einer
5.Kolonne, die die Ziele Israels, der USA und der EU erreichen hilft. Zugleich
schreibt die FAZ vom 22.7.2006: „Es gibt schon Spekulationen darüber, dass
<Hisbollah-Generalsekretär> Nasrallah sich im Haus des libanesischen
Christenführers Michel Aoun aufhalte.“ Einmal
abgesehen davon, dass man solche „Spekulationen“ auch als publizistische
Vorbereitung für israelische Bombenangriffe auf christliche Wohngebiete
verstehen kann (die just zu diesem Zeitpunkt auch tatsächlich begannen!),
klingt das nicht gerade nach dem ersehnten Bürgerkrieg. Zumal die von Aoun geführte „Freie Patriotische Bewegung“ (FPM; http://www.tayyar.org/tayyar/index.php)
nach allgemeiner Einschätzung die stärkste Partei des christlichen
Bevölkerungsteils ist, auch wenn sie in der 128 Abgeordnete umfassenden
libanesischen Nationalversammlung gegenwärtig „nur“ 21 Sitze innehat. Die
unabhängige linke italienische Tageszeitung „il manifesto“
brachte am 15.7.2006 das folgende Interview mit dem FPM-Führungsmitglied Abu Jamra,
in dem sie besonders der Frage nachging, wieso es zum Bündnis von FPM und
Hisbollah (sowie der linken sunnitischen Nasseristen,
der libanesischen KP u.a.) kam und wie sich die
wichtigste politische Kraft der christlichen Libanesen die weitere Entwicklung
vorstellt. Die englischsprachige Übersetzung der Anfang Februar 2006 veröffentlichten gemeinsamen Stellungnahme
von FPM und Hisbollah zur Innen- und Außenpolitik findet sich online unter http://www.cggl.org/scripts/document.asp?id=46257
„Keine Entwaffnung ohne
die Shebaa-Höfe“
Abu Jamra,
rechte Hand des Generals Aoun erklärt das Bündnis mit
der Hisbollah und warum die Auflösung der schiitischen Milizen „unrealistisch“
ist. Zuerst die Rückgabe der von Israel besetzten Gebiete und die Gefangenen.
MAURO CATERINA
Die israelisch-libanesische
Krise und die militärische Eskalation, die den Mittleren Osten erschüttert, hat
die Frage der Mazra Shebaa
(der Shebaa-Höfe) auf die Bühne befördert. Einem Gebiet,
das sich im Drei-Länder-Eck Libanon, Syrien und Israel befindet. Einer Mischung
aus militär-strategischen Interessen, Auseinandersetzungen um Wasserquellen und
Folgen des vergangenen arabisch-israelischen Krieges. Insgesamt umfasst es 25
Quadratkilometer. Mazra Shebaa
sind eine Ansammlung von 14 Bauernhöfen, die nach dem Krieg von 1967 von der
israelischen Armee besetzt wurden, sich an der von der UNO nach dem
israelischen Rückzug aus dem Libanon im Jahre 2000 gezogenen blauen Linie
befinden und nun erneut von der israelischen Armee besetzt wurden. Der
libanesische Staat und vor allem die Hisbollah fordert
diese Gebiete als eigene zurück, während Israel und die UNO erklären, sie
gehörten zu Syrien. Der, mit stillschweigender Zustimmung Syriens und des Iran
erhobene, Anspruch auf dieses Gebiet ist einer der wichtigsten Punkte, aus
denen heraus die Hisbollah den Widerstand gegen den israelischen Staat, in
einer mehr regionalen als nationalen Optik fortsetzt, auch wenn zahlreiche
Vertreter des libanesischen Staates und der Opposition deren Befreiung
unterstützen. Eine dieser Kräfte ist die Free Patriotic
Mouvement (FPM), die laizistisch inspirierte und von
dem Ex-General Michel Aoun geführte
christlich-libanesische Partei. Aoun ist einer der
Protagonisten des 1990 geführten „Befreiungskrieges von Syrien“, der auf tragische Weise mit
seinem Exil <in
Frankreich> endete. Er liegt seit
langem mit der Partei des Sohnes von Hariri <dem am 14.Februar 2005 in Beirut (zusammen mit 22
anderen Menschen) durch eine gewaltige Autobombe ermordeten ehemaligen Ministerpräsidenten,
Multimillionär und „libanesischen Berlusconi“ Rafiq
al-Hariri>
über Kreuz. Über die gegenwärtige Krise und die Frage der Shebaa-Höfe
sprachen wir mit dem General Issam Abu Jamra, dem ehemaligen stellvertretenden Ministerpräsidenten
der Regierung Aoun von 1988 – 90 und heutigen rechten
Arm Aouns an der Spitze der FPM.
Mister Jamra, wie ist die Position Ihrer Partei zu dem was derzeit
geschieht?
„Wir billigen voll und ganz
die von der Regierung getroffenen Entscheidungen und fordern eine sofortige
Waffenruhe.“
Bush hat erklärt, dass
Israel das Recht habe, sich zu verteidigen, er aber nicht wolle, dass Beirut
geschwächt wird, während ein Sprecher der israelischen Armee sagte: „Dies
ist kein Krieg.“
„Bush will den Konflikt auf
Israel und die Hisbollah verengen und vergisst dabei, dass die Hisbollah der
libanesischen Regierung angehört. Was Israel anbelangt, so können sie, nachdem
sie die Flughäfen, die Autobahnbrücken, die Straßen und die Elektrizitätswerke
zerstört haben, nicht sagen, dass es sich um eine Krise handele. Das ist der
Beginn des Krieges und keiner weiß, wie es enden wird.“
Am 2.Februar 2006 hat
Ihre Partei ein Abkommen mit der Hisbollah unterzeichnet.
„Unsere Beziehung zur
Hisbollah ist eine Beziehung auf einer ‚nationalen’
libanesischen Grundlage. Jemand hat mich gefragt: ‚Wie konntet Ihr das tun?’ Die Antwort ist einfach: Wir sind zu
einer gemeinsamen Sichtweise der innen- und außenpolitischen Situation gelangt.
Wenn die Hisbollah wieder fundamentalistisch werden sollte, dann können wir
noch fundamentalistischer sein als sie. Das ist ein wichtiger Punkt. Wir haben
jetzt ein taktisches Abkommen auf der Grundlage einiger gemeinsamer Absichten
und eines gemeinsamen politischen Interesses geschlossen. Sie brauchen uns und
wir brauchen sie. Daraus könnte auch ein strategisches Abkommen werden,
allerdings immer nur dann wenn es im Interesse des Libanon liegt. Aus diesem
Blickwinkel heraus sind wir bereit strategische Abkommen mit jeder libanesischen
Partei und Bewegung zu treffen.“
Handelt es sich um ein
politisches Abkommen auch im Hinblick auf eine Verbesserung der Beziehungen zu
Syrien und zum Iran?
„Die Hisbollah hat gute
Beziehungen zu Syrien und zum Iran. Aber auch die Christen unterhalten gute
Beziehungen zum Papst. Können wir sie deshalb kritisieren oder blockieren? Der
Sunnit Hariri unterhält gute Beziehungen zu Saudi-Arabien. Können wir ihn daran
hindern? Nein. Wenn uns diese Länder Hilfe zukommen lassen, sollten wir sie
akzeptieren. Wir sind kein reiches Land. Das bedeutet nicht, dass wir auf ihrer
politischen Linie liegen. Das Problem, das im Mittelpunkt der Diskussion steht,
ist die Frage der Entwaffnung der Hisbollah. Die sieht die Resolution 1559 vor.
Um diese umzusetzen muss es allerdings einen guten Grund geben, der im
Interesse des Landes liegt. Warum sollten sie sich sonst entwaffnen? An diesem
Punkt können wir es nicht vermeiden zuvor die Frage der Shebaa-Höfe
und der beiden in Israel inhaftierten Gefangenen in Angriff zu nehmen. Die UNO
muss eine Resolution verabschieden, damit diese beiden Jungen freikommen und
die ‚Shebaa-Farmen’ wieder in die Grenzen des
Libanon zurückkehren. Erst dann können wir von der Hisbollah die Entwaffnung
fordern. Dieses Stück Land befand sich bis 1957 unter libanesischer Verwaltung.
Von 1957 – 1967 unter syrischer Kontrolle und von 1967 bis heute unter
israelischer Kontrolle. Es handelt sich um einen Disput zwischen drei Ländern
und er kann nicht gelöst werden, wenn diese nicht zusammenarbeiten. Wenn man
die UNO-Resolution 1559 mit Gewalt umsetzen will, wird der Dialog mit der
Hisbollah kein friedlicher sein.“
Vorbemerkung, Übersetzung aus dem
Italienischen und Einfügungen in eckigen Klammern:
Antifa-AG
der Uni Hannover