Antifa-AG der Uni Hannover & Gewerkschaftsforum Hannover:
In einem Leitartikel für die linke italienische Tageszeitung
“il manifesto” vom 19.Juli 2006 befasste sich der in London
lebende Schriftsteller, Journalist, Filmemacher und radikale Sozialist Tariq Ali, ausgehend von einem berühmten Isaac
Deutscher-Zitat zum Sechs-Tage-Krieg von 1967, unter dem Titel “Triumph bis
zum Tod” mit Israels gegenwärtigem Krieg im Libanon und im Gaza-Streifen.
In einem weiteren Editorial für “il manifesto”
vom 1.8.2006 widmet er sich nun den Plänen der
imperialistischen Staaten für einen “Neuen Mittleren Osten” (C.Rice). Im Folgenden die deutschsprachige Übersetzung seines
Textes.
Eine
englische Version ist uns nicht bekannt. Falls jedoch jemand irgendwo auf sie
stößt, wären wir für einen entsprechenden Hinweis dankbar. Eventuelle
Abweichungen zu einer englischen Version können sich (sofern es sie gibt) aus
Entschärfungen oder Modifikationen ergeben, wie sie im Fall des ersten
Editorials für die Veröffentlichung in der gemäßigt-linken
britischen Tageszeitung “The Guardian” vom 20.7.2006 vorgenommen
wurden.
Der
63jährige Ali (Website: www.tariqali.org),
von dem zuletzt in deutscher Sprache die Bücher “Fundamentalismus im Kampf um
die Weltordnung – Die Krisenherde unserer Zeit und ihre historischen Wurzeln”
(2002) und “Bush in Babylon – Die Re-Kolonisierung des Irak” (2004) erschienen,
musste aufgrund seines Kampfes gegen die pakistanische Militärdiktatur nach
England emigrieren und gehörte dort zu den führenden Köpfen der britischen 68er
Bewegung. Von 1968 bis 1980 war er (Leitungs-)Mitglied der britischen Sektion
der 4.Internationale (d.h. der International Marxist Group) und ist bis heute
ständiger Mitarbeiter der Theoriezeitschrift “New Left
Review” http://www.newleftreview.net).
Darüberhinaus schreibt er regelmäßig in der linken
britischen Tageszeitung “The Guardian” (http://www.guardian.co.uk), im linken
US-Magazin “Counter Punch”
(http://www.counterpunch.org) und in
der “London Review of Books”.
Gelegentlich finden sich Beiträge von ihm auch in der “Süddeutschen Zeitung” in
der “taz” und zuweilen sogar in der “FAZ”. In “il manifesto”, dem strömungsübergreifenden Organ der
italienischen radikalen Linken, ist er regelmäßiger Autor. Politisch ist er
einer der Inspiratoren der
Antiglobalisierungsbewegung.
Editorial:
Seit dem
Moment als die syrischen Truppen gezwungen wurden, den Libanon zu verlassen,
hat sich in dem Land ein Machtvakuum gebildet. Die Vertreter des Westens
dachten, dass sie es seien, die es füllen würden – mit Israel als Agenten. Doch
es gab ein Hindernis: die Hisbollah, die bereits bei einer vorangegangenen
Gelegenheit die Israelis geschlagen hatte. Wir warten den geeigneten Augenblick
ab und fegen sie weg, dachten sie in Jerusalem und als die Libanesen nervös
wurden, schoben sie die Verantwortung für die Zerstörungen der Hisbollah in die
Schuhe, um so dafür zu sorgen, dass sie in ihrem eigenen Land unpopulär und verhasst
wurden. Selbst ein Kriegsspiel auf einem Pentagon-Computer hätte bessere
Ratschläge gegeben.
Dieser Plan
wendete sich jetzt in Aufsehen erregender Weise gegen seine Erfinder. Eine
erschütterte <US-Außenministerin> Condoleezza
Rice musste erleben, dass ihre Reise in den Libanon
von einer Regierung, die Washington als die “seine”
betrachtete, abgelehnt wurde und musste eine “zeitweilige Pause” der
Bombardements organisieren. Vielleicht brauchten sie mehr Bunker brechende
Bomben, um weitere Unschuldige zu töten oder vielleicht haben sie gemerkt, dass
die Popularität von <Hisbollah-Generalsekretär> Nasrallah in der arabischen Welt
einen nie da gewesenen Höhepunkt erreicht hat. Fotos von ihm werden auf den
Demonstrationen in Kairo zusammen mit denen von Nasser getragen. Auch in
Jordanien gab es Massendemonstrationen und sogar der irakische
Marionetten-Ministerpräsident fühlte sich verpflichtet während eines Besuches
in den USA, Israel anzuklagen, womit er sich Kritik ebenso von den
Republikanern wie von den Demokraten einhandelte. Wie konnte er das wagen? Er
hätte den Posten, den er bekleidet nicht, wenn er nicht für uns wäre. Wie will
man also verhindern, dass einer wie er zum Chef des Libanon wird? Der Grund ist
einfach: Die Iraker sind unruhiger denn je und <der notdürftig in die irakische Regierung integrierte junge
Vertreter der armen schiitischen Schichten> Moqtada al Sadr will
sofort eine zweite Front im Irak aufmachen. So müssen der “Ministerpräsident”
und der Großayatollah Sistani die Israelis anklagen,
auch wenn sie darauf achten, jegliche Kritik an der Besatzungsmacht zu
vermeiden.
Während die
israelische Kriegsmaschine dem libanesischen Volk weiterhin eine Kollektivbestrafung
angedeihen lässt, haben das Massaker von Kana und die
geplante und systematische Zerstörung der sozialen Infrastrukturen des Landes
einige Vorgänger des englischen Premierministers dazu veranlasst, schüchterne
Kritik an Blair zu üben. Die Tatsache, dass der Begriff “unverhältnismäßig”
in der englischen politischen Kultur als inakzeptabel betrachtet wird, sagt
allerdings einiges über den Zustand dieses Landes aus. Es gab nicht einen
einzigen Rücktritt aus der blutbefleckten Labour-Regierung; keinerlei
ernsthaften Versuch eine außerordentliche Parteikonferenz einzuberufen, um sich
von diesem Premierminister zu befreien und ihn durch den Fürsprecher einer anderen
Politik zu ersetzen. Das übrige Europa unterscheidet sich wenig davon. Die
Deutschen unterstützen Israel; die italienische Mitte-Linke ist schwach und die
Konferenz von Rom hat ihre Ohnmacht symbolisiert; Zapatero
in Spanien ist der Einzige, der eine palästinensische Schärpe getragen und die
israelischen Aktionen verurteilt hat. Während dies der Zustand der offiziellen
Politik ist, zeigen die Menschen, dass sie gegen die Fortsetzung des Krieges im
Irak, gegen die israelische Aggression im Libanon und gegen die Unterordnung
unter das Weiße Haus sind. Das Ghetto von Gaza steht unter Belagerung. Der
Libanon ist ein rauchender Trümmerhaufen, ohnmächtig und wütend. Der
UNO-Generalsekretär entschuldigt sich bei Israel dafür, dass er es anlässlich
der Bombardierung des UNO-Sitzes im Libanon kritisiert hatte und die “internationale
Gemeinschaft” schaut zu. Es wird böse ausgehen für die Kriegstreiber, wenn
die Bürger Europas nicht ruhig bleiben.
Vorbemerkung,
Übersetzung und Einfügungen in eckigen Klammern: