Antifa-AG der Uni
Hannover:
Eine
Historisierung und partielle Revision der Geschichte des Faschismus und des
antifaschistischen Widerstandes im Sinne einer gezielten Verwässerung der
Lehren daraus und der Ersetzung des Antifaschismus durch einen Anti-Extremismus
und Antitotalitarismus findet nicht nur in Deutschland, sondern beispielsweise
auch in Italien statt. Hierzulande machte Grünen-Außenminister Fischer schon
während des NATO-Krieges gegen Jugoslawien 1999 aus den Internationalen
Brigaden des Spanischen Bürgerkrieges von 1936-39 einen „Vorläufer der NATO“. SPD-Bundeskanzler
Schröder bemühte in seinem Aufruf zum „Aufstand der Anständigen“ im Herbst 2000
sogar rechtspopulistische Versatzstücke („Aufstand der Anständigen“, „Akt der
politischen Hygiene“, „mit eiserner Hand aufräumen“…) für seinen Kampf gegen
den „Extremismus“. In Italien konzentriert sich die von Silvio Berlusconi
geführte Rechts-Regierung seit einiger Zeit darauf, den Partisanen Terrorismus
und Massaker an italienischen Soldaten, Faschisten und unschuldigen Zivilisten
(die „Foibe“) anzuhängen und sie mit den bewaffneten Verbänden der Republik von
Salò (Mussolinis, von 1943-45 dauerndem und von Nazi-Deutschland abhängigem,
letzten Regime in Nord- und Mittelitalien) gleichzusetzen. Die faschistischen
Milizen werden dabei gezielt verharmlost, um sie so faktisch zu rehabilitieren.
In
gewisser Weise praktizieren Berlusconi und seine Verbündeten von der Alleanza
Nazionale (der Nachfolgerin des neofaschistischen MSI) hier eine andere Form
von Äquidistanz. Anlässlich des neuesten Gesetzentwurfes zur Gleichstellung der
Mussolini-Milizen der „Italienischen Sozial-Republik“ (RSI) von Salò verfassten
die italienischen Partisanen-, Verfolgten- und Deportiertenverbände am 4.2.2005
die folgende Protesterklärung, die im Original auf der Homepage der
Associazione Nazionale Partigiani d'Italia (ANPI) www.anpi.it nachzulesen ist. Wir bringen hier
erstmals die deutsche Übersetzung:
Salò-Milizionäre „Kriegsteilnehmer“?
Ein Versuch, den es zu vereiteln gilt!
Gegenwärtig befindet sich
ein Gesetzentwurf auf dem Weg in die parlamentarische Debatte im Senat, der von
einigen Exponenten der Alleanza Nazionale (AN) eingebracht wurde und die
„Militärs“ der so genannten Armee von Salò in den Rang von Kriegsteilnehmern
erheben möchte. Ein derartiger Vorschlag ist nicht nur aufgrund der direkt
gegen all diejenigen gerichteten Beleidigung hinterhältig, die damals den Weg
der nationalen Befreiung, der bewaffneten Verteidigung der Demokratie und der
Freiheit in Italien wählten oder mit unterschiedlichen Begründungen in die
Konzentrations- und Vernichtungslager deportiert wurden, sondern vor allem,
weil er darauf abzielt, die Wurzeln unseres republikanischen Lebens zu
untergraben. Wir erinnern daran, dass die Verfassung unter dem Druck der Ideale
verkündet wurde, die die Resistenza (der Widerstand) zu politischer,
militärischer und ethischer Praxis machte. Werte wie Demokratie, Freiheit und
Antifaschismus fließen in den Geist unserer Verfassungscharta ein.
Die bewaffneten Banden, die
in der Repubblica Sociale Italiana (Italienische Sozial-Republik – RSI) unter
verschiedenen Vorzeichen zur militärischen und logistischen Unterstützung der
Massakerstrategie der deutschen Armee und der SS gegenüber denjenigen tätig
waren, die im Namen der Ideale von Freiheit und Gerechtigkeit gegen die
nazifaschistische Barbarei opponierten, bedeutet die gesamte Zeitspanne der 60
Jahre, die uns von jenen Zeiten trennt, auf verzerrte, unhistorische Weise
umzuschreiben.
Es ist kein
Spaltungsinteresse, das uns dazu veranlasst, eine entschlossene und gerechte
Verteidigung der Geschichte unserer Republik zu verlangen und es ist nicht
Uneinsichtigkeit oder die Verweigerung einer Reflektion. Die Geschichte besteht
aus einem immer neuen Nachdenken. Ohne Verdrehungen lassen sich Dinge
allerdings immer besser begreifen.
Wir können daher nicht
akzeptieren, dass die Schlächter und diejenigen, die dabei Opfer waren, auf
dieselbe Stufe gestellt werden. Zwischen dem Henker und dem Opfer besteht ein
abgrundtiefer Unterschied. Ein unüberwindlicher Unterschied.
Wir fordern daher die im
Senat vertretenen politischen Parteien der Mitte-Linken auf, sich voll und ganz
dafür einzusetzen, dass dieser schreckliche Versuch, der mehr als Tausend Höflichkeitsfloskeln,
wie sie von Vertretern jener Partei bei jedem öffentlichen Anlass verbreitet
werden, den wahren Inhalt des fraglichen Gesetzentwurfes enthüllt, scheitert.
Italienische
Konföderation der Kombattanten- und Partisanenverbände
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ANPI – Associazione Nazionale Partigiani d’Italia
(Nationaler Partisanenverband Italiens)
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FIAP – Federazione Italiana Associazione Partigiane
(Italienische Föderation von Partisanenverbänden)
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ANED – Associazione Nazionale ex Deportati politici nei
campi nazisiti (Nationaler Verband der ehemaligen aus politischen Gründen in
die Nazi-Lager Deportierten)
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ANPPIA – Associazione nazionale Perseguitati Politici
Italiani Antifascisti (Nationaler Verband der italienischen antifaschistischen
politischen Verfolgten)
Rom, 4.Februar 2005
Vorbemerkung und Übersetzung:
Antifa-AG der Uni Hannover