* Rosso:
In Lateinamerika setzt sich der
institutionelle Linkstrend fort. Im zweiten Wahlgang der ecuadorianischen Präsidentschaftswahlen
erzielte Ende November der linkspopulistische Kandidat Rafael Correa mit knapp 68% der Stimmen (gegenüber 32% für den
rechten Multimillionär und Bananenexporteur Alvaro Noboa)
einen unerwartet hohen Sieg. Ob die Wahl eines weiteren wortgewaltigen linken
Präsidenten in Lateinamerika für die Arbeiter und die Armen Ecuadors allerdings
auch zu spürbaren Verbesserungen im alltäglichen Leben und zu vorteilhafteren
sozialen und politischen Kräfteverhältnissen führt, bleibt fraglich. In dieser
Hinsicht sehr interessant sind die nüchternen Betrachtungen die der FAZ-Korresponent Josef Oehrlein
für die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ (www.faz.net) vom 28.11.2006 anstellt.
Fünf Revolutionen
für Ecuador
Der neue Präsident Rafael Correa
verspricht viel
Mit
unerwartet großer Mehrheit ist in Ecuador der linkspopulistische Kandidat
Rafael Correa zum neuen Präsidenten gewählt worden.
In der Stichwahl entfielen nach Auszählung der Hälfte der Stimmen auf ihn etwa
68 Prozent der Stimmen, auf seinen konservativen Konkurrenten, den
Multimillionär und Bananenexporteur Alvaro Noboa, nur
32 Prozent.
Nach schweren
Ausschreitungen in der Provinz Guayas mit der
Hauptstadt Guayaquil, der bevölkerungsreichsten
Region des Landes, ist dort die Stimmenauszählung einstweilen eingestellt
worden. Anhänger Correas hatten gegen angebliche
Wahlbetrugsversuche der Partei Noboas, Prian, protestiert. Die Wahlurnen wurden unter militärische
Bewachung gestellt. Trotz großzügiger Wahlgeschenke hat Noboa
zum dritten Mal in Folge bei einer Stichwahl eine Niederlage einstecken müssen.
Rafael Correa wird ein weiteres
lateinamerikanisches Staatsoberhaupt, das freundschaftlichen Umgang mit dem
venezolanischen Präsidenten Hugo Chavez pflegt. Erste
Äußerungen Correas nach der Stichwahl deuten darauf
hin, daß sich Ecuadors künftiger Präsident
amerikanischen Interessen in der Region entgegenstellen könnte.
Correa will etwa den schon ausgehandelten,
wegen eines Streits mit der amerikanischen Erdölfördergesellschaft Oxy jedoch auf Eis liegenden Freihandelsvertrag nicht
unterzeichnen. Außerdem weigert er sich, den Vertrag über die Nutzung des
Luftwaffenstützpunkts, den die Vereinigten Staaten in Manta an der Pazifikküste
unterhalten, über 2009 hinaus zu verlängern. Von Manta aus kontrollieren die
amerikanischen Streitkräfte den von Ecuadors Nachbar Kolumbien ausgehenden
illegalen Drogenhandel. Correa bekundete am Wahlabend
andererseits, daß er mit der amerikafreundlichen
kolumbianischen Regierung des Präsidenten Alvaro Uribe
gute Beziehungen unterhalten möchte.
Wie der Präsident Boliviens, Evo Morales
– ein besonders gelehriger Chavez-Freund –, möchte Correa die staatlichen Institutionen „neu gründen“. Allerdings hat er im Parlament keinerlei Einfluß, weil seine Gruppierung Alianza
Pais (“Landes-Allianz“) bei den jüngsten Wahlen keine
Kandidaten aufgestellt hatte. Correa hält die
traditionellen Parteien wie den Kongreß für korrupt
und ineffizient. Sein Heil will er wie Morales in der Einberufung einer verfassunggebenden Versammlung suchen.
Die Ecuadorianer haben Correa aus
Protest und Politikverdrossenheit gewählt. Er galt vielen als kleineres Übel im
Vergleich zu dem großspurig als „reicher
Onkel“ auftretenden Noboa. Correa
bezeichnet sich als „Humanisten und
linken Christen“ und hält sich für „unpolitisch“.
Der 43 Jahre Politiker stammt aus Guayaquil, dem
Wirtschaftszentrum des Landes. Er studierte Wirtschaftswissenschaften an der
Katholischen Universität seiner Heimatstadt. Außerdem absolvierte er ein
Postgraduiertenstudium in Belgien und wurde in den Vereinigten Staaten
promoviert. Bei öffentlichen Auftritten erweist er sich als überaus
wortgewandt. Er gilt als charismatisch und kommunikativ, er spricht Englisch,
Französisch und die Eingeborenensprache Quechua, die
er als Missionar in einer Indio-Gemeinde erlernte.
Als Universitätsprofessor wandte er sich stets gegen die im
Jahr 2000 vom damaligen Präsidenten Jamil Mahuad eingeführte „Dollarisierung“,
er gestand zuletzt jedoch ein, daß es politischer „Selbstmord“ wäre, sie rückgängig zu
machen. Seine einzige politische Erfahrung sind 106 Tage als
Wirtschaftsminister unter dem noch amtierenden Präsidenten Alfredo Palacio im vergangenen Jahr. Seine Regierungspläne beruhten
auf fünf „Revolutionen“, kündigte Correa an: jenen der Verfassung, der Ethik, der Wirtschaft,
des Erziehungswesens und der lateinamerikanischen Integration. Zumindest im
Gebrauch revolutionärer und populistischer Floskeln gibt sich Correa als treuer Chavez-Gefolgsmann
zu erkennen. Beim ersten Wahlgang hatte Chavez noch
direkte Wahlhilfe für Correa zu leisten versucht. In
der Kampagne zur Stichwahl hielt er sich jedoch zurück, weil sich sein Einfluß für seinen Schützling nachteilig auszuwirken
schien.
Correa werden nicht weniger Untugenden
nachgesagt als Noboa. Er gilt als mürrisch und
launisch, als Improvisator und Abenteurer. Ein Abenteuer ist es in Ecuador
allemal, wenn ein neues Staatsoberhaupt sein Amt antritt. In zehn Jahren hatte
das Land acht Präsidenten. Fraglich ist, ob Correa
die Präsidentschaft bis zum Ende durchhält oder ob er, wie seine Vorgänger,
vorzeitig vom Volkszorn aus dem Amt gejagt wird, weil er seine Versprechungen
nicht einzuhalten vermag.
Vorbemerkung: * Rosso
Der Name * Rosso steht
für ein Mitglied der Antifa-AG der Uni Hannover und
des Gewerkschaftsforums Hannover, das bereits in der Vergangenheit den Großteil
der Übersetzungsarbeit beider Gruppen geleistet hat. Nachdem sich die Antifa Uni nach mehr als 17jährigem Bestehen Ende Oktober
2006 aufgelöst hat (siehe: http://antifa.unihannover.tripod.com/Aktuell.html)
werden die explizit politischen Übersetzungen von nun an in individueller
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