Antifa-AG
der Uni Hannover:
Der 5.Jahrestag der Anschläge vom
11.September 2001 hatte erwartungsgemäß eine Welle entsprechender Leitartikel
und Kommentare in den bürgerlichen Zeitungen zur Folge, von denen nicht viele
eine gewinnbringende Lektüre darstellten. Sensationelle Neuigkeiten bietet auch
das Editorial der linken italienischen Tageszeitung „il
manifesto“ keine. Dennoch vermitteln die
Anmerkungen ihres Chefredakteurs Gabriele Polo in der Ausgabe vom 12.9.2006
(montags erscheint sie nicht!) einen gewissen Eindruck davon, wie diese fünf
Jahre vom radikaleren Teil der italienischen Linken gesehen werden.
Editorial:
Was von
Amerika übrig bleibt
Gabriele Polo
Auch in der schlimmsten
Tragödie lässt sich eine Gelegenheit zur Rettung finden. Die westliche Kultur
weiß das nur zu gut, wird es doch seit den Werken des antiken Griechenlands <immer wieder> geschrieben. Der 5.Jahrestag des Anschlags auf die Zwillingstürme
hat uns hingegen eine Welt präsentiert, die auf jene Toten dadurch reagieren wollte,
dass sie weitere Opfer produzierte und einer neuen Form von Krieg mit anderen
Kriegen begegnete, die traditioneller waren, aber „präventive“ Kriege genannt wurden.
Präventiv war daran nichts.
Fünf Jahre lang blieb der Westen ein Opfer der Angst, hat weitere Anschläge
beweint und sich bei tausend angeblichen oder echten Alarmmeldungen
erschrocken. Zum Ausgleich hat er die eigenen demokratischen Prinzipien in
Geheimgefängnissen, inhumanen Gefängnissen und ständigen Verletzungen der Grundrechte
der Individuen verletzt. Unter Führung der Vereinigten Staaten von Amerika und
ihres unglückseligen / ruchlosen Präsidenten haben sie ihre Streitkräfte unter
dem Banner eines heraufbeschworenen Krieges der Kulturen in Marsch gesetzt. Wobei
sie den Hass Anderer schürten und am Ende sogar den „Krieg auf dem
Schlachtfeld“ verloren, bei dem sie eigentlich ihre technologische
Überlegenheit vor jeder Überraschung schützen sollte. Heute muss es überall, wo
es zugeschlagen hat, eine verheerende Bilanz ziehen. Von Afghanistan, wo die Taliban Furore machen bis zum Irak, wo die Zahl der
getöteten amerikanischen Soldaten mittlerweile die Zahl der New Yorker Opfer
des 11.September 2001 übertrifft.
In fünf Jahren sind alle
unsere Prinzipien – von den ethischen bis zu den
politischen, aber sogar den militärischen – über den Haufen geworfen worden. Es
ist sogar zu einfach zu sagen, dass sich die Welt unsicherer und ungewisser
fühlt als vorher. Vielleicht beginnt sich diese Erkenntnis erst jetzt auch in
den Palästen der Macht Bahn zu brechen – zumindest in Europa. Andererseits
fährt auf der anderen Seite des Atlantiks aber eine immer mehr abgeschottetere und über immer weniger internationale
Glaubwürdigkeit verfügende Administration fort im Namen der nationalen
Sicherheit das Prinzip des totalen Krieges zu bekräftigen. Für Bush ist das
Wichtige den Konflikt von den eigenen Grenzen entfernt zu halten (umso
schlechter für die Anderen) und die Lautstärke zu erhöhen, damit die Amerikaner
ihre eigenen Schwierigkeiten nicht bemerken. Dass ein Fernsehgespenst namens Al-Zawahiri den Kriegsschrei erwidert, ist das einzige
Argument, dass ihm geblieben ist. Das Dumme ist, dass dieses Argument Gefahr
läuft in andere Köpfe einzudringen, die bereit sind ihre Körper zur Explosion
zu bringen.
Wenn man vor fünf Jahren
einen humanen Grund finden konnte, um zu sagen „Wir sind alle Amerikaner“, dann gibt es heute tausend rationale
Argumente, um das nicht mehr zu sein. Gerade um das zu retten, was – außerhalb
der Tore des Weißen Hauses – von Amerika übrig bleibt.
Vorbemerkung und Übersetzung:
Antifa-AG
der Uni Hannover