„junge Welt“ 4.3.2005
Zwangsarbeit in Schulen
Gewerkschaft GEW
kritisiert Einsatz von Ein-Euro-Jobbern in Berliner Bildungseinrichtungen.
Träger verhalten sich »wie Drückerkolonnen«
Nach jahrelangem
Personalabbau werden an Berliner Schulen und Kitas
nun Hunderte Ein-Euro-Jobber eingestellt, um notwendige Arbeiten zu erledigen.
Ilse Schaad, zuständiges Vorstandsmitglied der GEW
Berlin, kritisierte in einer Pressemitteilung am Donnerstag, daß in Berliner Schulen Ein-Euro-Jobs »in großem Stil« für
technische und Verwaltungsarbeiten, aber auch für pädagogische Aufgaben
eingesetzt würden.
Für eine geringe Aufwandsentschädigung müßten
Erwerbslose behinderte Kinder betreuen, Schwimm- und Vertretungsunterricht
erteilen. Auch für Hausmeister-, Bibliotheks- und Sekretariatstätigkeiten, bei
der Sprachförderung, der Begleitung von Klassenfahrten, bei der Aufsicht und in
der Sozialarbeit kommen Ein-Euro-Jobber nach Gewerkschaftsangaben zum Einsatz.
Bis zu 500 solcher »Arbeitsverhältnisse« sind Schätzungen der GEW zufolge an
Berliner Schulen bereits entstanden. Bei diesen handele es sich überwiegend um
staatliche Pflichtaufgaben und nicht um Zusatzjobs, hob Schaad
hervor. »Der in den letzten Jahren erfolgte Personalabbau im Bildungsbereich
hat dazu geführt, daß die Arbeitsbelastung gestiegen
ist und notwendige Arbeiten liegenbleiben«,
erläuterte sie. Die Gewerkschafterin hält es für »bildungspolitisch
unverantwortlich, diese Arbeiten jetzt zum Nulltarif durch alle paar Monate
wechselnde Erwerbslose erledigen zu lassen«.
»Die von den Arbeitsgemeinschaften beauftragten Trägereinrichtungen treten zum
Teil wie Drückerkolonnen auf und drängen Schulleiter massiv zum Einsatz von
Ein-Euro-Jobbern«, berichtete Schaad. Die GEW-Frau
kritisierte zudem, daß den Personalräten
Informations- und Mitbestimmungsrechte verweigert würden. Diese werde man nun
einklagen, kündigte sie an. Die Einbeziehung der Beschäftigtenvertreter sei
»dringend notwendig, da in vielen Fällen weder die Qualifikation der
eingesetzten Arbeitskräfte noch deren gesundheitliche und persönliche Eignung
geprüft wurde«. Hier werde »die Not von Erwerbslosen schamlos ausgenutzt«,
kritisierte Schaad.
Sollten Ein-Euro-Jobber im Unterricht eingesetzt werden, »dann ist der Bereich
der Illegalität erreicht«, erklärte André Schindler vom Berliner Landeselternausschuß im jW-Gespräch.
Kenneth Frisse, Sprecher der Senatsverwaltung für
Bildung, betonte auf jW-Nachfrage, in einer
Rahmenvereinbarung vom November vergangenen Jahres sei festgelegt worden, daß Langzeitarbeitslose nur für zusätzliche Aufgaben
eingesetzt werden dürften, also keinesfalls bei der Erteilung von Unterricht
oder von Vertretungsstunden. Fälle von Mißbrauch
wollte der Sprecher zwar nicht ausschließen, die Senatsverwaltung lege aber
»großen Wert darauf, daß die Regelungen strikt
eingehalten werden«.
Die neuen Billigjobs werden indes nicht nur in Berliner Schulen, sondern auch
anderswo genutzt. In Bremen habe der Personalrat einen Einsatz von Ein-Euro-Jobbern
im pädagogischen Bereich allerdings verhindert, erklärte der Vorstandssprecher
der örtlichen GEW, Jürgen Burger, gegenüber junge Welt. Dennoch seien etwa 20
bis 30 Erwerbslose durch freie Träger – unter Umgehung der betrieblichen
Mitbestimmung – in technische Tätigkeiten an Schulen vermittelt worden. In
Hamburg haben die Beschäftigtenvertreter die Fälle noch nicht erfaßt.
Daniel Behruzzi
(Quelle: www.jungewelt.de)